Am 25.01.2021 führte die DJG Saar Ihre erste virtuelle Vorstandssitzung durch. Der Vorstand befasste sich mit den bevorstehenden Personalratswahlen und der Situation bezüglich Corona. Es wurde die anliegende DJG Info erstellt.
Dirk hat diese bei einem späteren Termin an Herrn Staatssekretär Theis übergeben.
Die Justiz in Zeiten der Corona-Pandemie
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in unserer aktuell sehr schwierigen Zeit darf ich Euch zunächst viel Gesundheit und weiteres Durchhaltevermögen wünschen.
Nachstehendes Schreiben haben wir am 25.01.2021 Herrn Minister Strobel und Herrn Staatssekretär Theis zukommen lassen:
Wir möchten auf einige Dinge eingehen, die zwar bereits Themen verschiedener Videokonferenzen zwischen dem Ministerium der Justiz, den Oberbehördenleitern und den Hauptpersonalvertretungen waren, die aber dennoch auch aus gewerkschaftlicher Sicht weiter auf die Tagesordnung gehören.
In Zeiten einer Pandemie sollen wir alle soweit wie möglich Kontakte vermeiden, Abstand halten, von zu Hause arbeiten und vieles mehr, um das Infektionsrisiko weitestgehend zu minimieren. Dass die Justiz keine klassische Verwaltungsbehörde ist, die einfach mal so geschlossen werden kann und wo alle Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten können, liegt in der Natur der Sache. Dennoch erlaube ich mir den Hinweis, dass das Sitzungsaufkommen landesweit derzeit sehr hoch ist und dementsprechend viele Menschen sich in unseren Gerichtsgebäuden aufhalten. Die Terminierungspraxis fällt in den Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit, die hier auch gar nicht angesprochen werden soll. Dennoch – so hört man auch aus Richterkreisen – wäre ein dezenter Hinweis oder eine Empfehlung des Ministeriums wünschenswert und hilfreich, um den Richterinnen und Richtern aufzuzeigen, dass seitens des Dienstherrn keine Bedenken bestehen, zur Kontaktreduzierung weniger als bisher zu terminieren und nicht besonders eilige Sachen oder Nichthaftsachen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Mein Büro befindet sich im landgerichtlichen Hauptgebäude, das ich nur durch einen Flur erreiche, in dem sich überwiegend Sitzungssäle befinden. Der Weg dorthin ist ab und an beschwerlich, weil man sich tatsächlich durch Menschenmengen kämpfen muss und von gegenseitigem Respekt und Rücksichtnahme oft leider wenig zu spüren ist.
All diese Menschen müssen aber zuvor den Eingangsbereich passieren, in dem unsere
Justizwachtmeister einen hervorragenden Job verrichten. Jeder Besucher muss von unseren Wachtmeistern nach seinem Anliegen gefragt, kontrolliert und ggf. abgetastet werden. Um das Ganze einmal mit Zahlen zu untermauern:
- Am 19. Januar haben insgesamt 361 Personen das landgerichtliche Hauptgebäude betreten,
- am 20. Januar waren es 347,
- am 21. Januar wurde das Gebäude von 343 Personen betreten.
Und das in Zeiten einer Pandemie mit Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln etc. Diese Entwicklung finden wir mehr als bedenklich. Viele Sitzungen und volle Gebäude werden uns übrigens von allen Gerichten aus dem gesamten Land berichtet.
Wie bereits gesagt, sind die Justizgebäude grundsätzlich öffentlich und wir können erst mal keinen einfach so abweisen. Und dass gerade in Zeiten vieler Terminierungen die Gebäude allein durch die Sitzungsteilnehmer (Anwälte, Parteien, Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher etc.) schnell voll werden, ist ebenfalls klar. Abhilfe könnte hier wohl tatsächlich nur durch deutlich weniger Terminierungen geschaffen werden und ggf. auch durch eine Reduzierung der Öffentlichkeit beispielsweise dahingehend, dass in einen Sitzungssaal nur dessen Größe entsprechend Zuschauer eingelassen werden, um den erforderlichen Abstand zu gewährleisten. Dass in der jetzigen Zeit auch im Sitzungssaal Maske getragen werden sollte, versteht sich unseres Erachtens schon rein als ein Akt der Höflichkeit.
Den meisten Publikumskontakt haben unsere Justizwachtmeister. Dürfen diese sich zu Hause nur mit einer weiteren Person außerhalb des eigenen Haushalts treffen, haben sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit täglich direkten Kontakt mit über 300 völlig fremden Personen. Dass dort gewisse Ängste und ein ständiges mulmiges Gefühl an der Tagesordnung sind, ist selbstverständlich. Nicht zu vergessen sind aber auch die Protokollführer und wieder die Wachtmeister, die oft stundenlang in eiskalten Sitzungssälen mit hohem Menschenaufkommen für die Aufrechterhaltung der Justiz und für einen reibungslosen Dienstbetrieb sorgen.
Nach der aktuellen SARS-CoV2 Impfverordnung fallen die Bediensteten der Justiz unter die Impfkategorie 3. Die Deutsche Justiz-Gewerkschaft fordert Sie auf, sich für eine Änderung der aktuellen Verordnung dahingehend einzusetzen, dass die Justizwachtmeister und alle Justizbediensteten mit regelmäßigem Personenkontakt (hierzu zählen z.B. die Protokollführer, Rechtspfleger in Betreuungssachen, die Bewährungshelfer sowie die Vollzugsbediensteten etc.) – wie die Polizei – unter die Impfkategorie 2 fallen.
Ein weiterer Punkt, der die Gemüter regelmäßig erhitzt, sind „Corona-Sonderzahlungen“ in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes und der freien Wirtschaft. Uns ist durchaus bewusst und bekannt, dass die 600,-€ Sonderzahlung im Bereich Bund und Kommunen eine Einmalzahlung als Ausfluss des dortigen Tarifergebnisses TV-öD waren. Wenn man aber sieht, dass der Staat auch in anderen Bereichen tatkräftig unterstützt und steuerfreie Sonderzahlungen bis zu 1500,-€ zulässt, dann sollten auch die Bediensteten des Landes als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung eine entsprechende Prämie oder Zulage erhalten. Und ich meine sagen zu können, dass die Justiz hier ganz vorne mit dabei sein muss, weil wir – anders als andere Verwaltungsbehörden – eben vor Ort mit hohem Publikumsaufkommen zu kämpfen haben und nicht jeder von zu Hause seine Tätigkeiten verrichten kann. Unsere Mitarbeiter sind also einem viel höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als andere Teile des öffentlichen Dienstes.
Wenn eine monetäre Anerkennung sicher kurzfristig rechtlich schwierig umzusetzen sein dürfte, so sollte es uns aber doch gelingen, zumindest zeitnah z.B. im Rahmen der Urlaubsverordnung (§ 14 – Dienstbefreiung) Wege zu finden, um unseren Bediensteten zusätzliche freie Tage zu ermöglichen. Wir fordern bereits jetzt, in diesem Jahr die 4 Stunden am Rosenmontag nicht „rausarbeiten“ zu müssen, sondern als kleines Dankeschön zu „schenken“ – und das ist das mindeste, was unsere Mitarbeiter, die sich einem täglich hohen Infektionsrisiko aussetzen und die den Dienstbetrieb so am Laufen halten, „als gäbe es kein Corona“, verdient haben.
Zu guter Letzt sei darauf hingewiesen, dass das Arbeiten aus dem Homeoffice in der Justiz – zumindest nach unserem Empfinden – noch zu wünschen übrig lässt. Dass der Wachtmeister schon wegen seiner Tätigkeit nicht von zu Hause arbeiten kann und es auch im Servicebereich anerkanntermaßen wegen unserer noch überall vorherrschenden Papieraktenwelt teilweise schwierig ist, von zu Hause zu arbeiten, so sollten die Behördenleiter dennoch etwas mehr Verständnis und auch Kreativität entwickeln, um geeignete Tätigkeiten – und von denen gibt es einige
– herauszufiltern, die aus dem heimischen Büro bearbeitet werden können. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen im Servicebereich, bei denen sich die Kinderbetreuung nebst Homeschooling etc. als große Belastung herausstellt. Die Behördenleiter sind eindringlich aufgefordert, sich im Servicebereich nicht grundsätzlich der Heimarbeit zu verschließen, sondern insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen Möglichkeiten zu finden und aufzuzeigen, die problemlos auch von zu Hause bearbeitet werden können. Die entsprechenden Rahmenbedingungen sind geschaffen und die benötigte Hardware und VPN-Zugänge stellen hier dankenswerterweise kein Problem dar. Also: „Wo ein Wille, da ein Weg“. Unsere Mitarbeiter im Service sind sicher genauso zuverlässig und strebsam wie andere Berufsgruppen in der Justiz, bei denen bereits seit Jahren gute Erfahrungen mit Heim- oder Telearbeit gemacht wurde.
Dank der gestarteten Ausbildungsoffensive dürften sich auf lange Sicht die personellen Probleme zumindest ein Stück weit reduzieren lassen, wenn auch die hohe Anwärterzahl gerade in der Praxisausbildung (Stichwort Abstand, Kontaktreduzierung) neue Probleme aufkommen lässt. Hier sind wir aber dankbar, dass Herr Staatssekretär Theis bereit ist, den Belangen der Ausbilder und Anwärter Rechnung zu tragen und für eine Flexibilisierung der Ausbildung nach den jeweiligen Belangen der Ausbildungsbehörden Rechnung zu tragen. Dass wir Personal brauchen, ist klar. Dass das neue Personal auch in Zeiten von Corona ausgebildet und angelernt werden muss, ist aber ebenso klar. Hier müssen wir also weiterhin kreativ bleiben, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, den Ausbildern und Anwärtern nicht zu viel zuzumuten (beispielsweise stundenlanges Maskentragen im Büro), aber dennoch eine adäquate Ausbildung zu gewährleisten.
Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Staatssekretär,
wir danken für Ihre stets offenen Ohren für die Belange der Personalvertretungen und Gewerkschaften und für Ihren täglichen Einsatz im Sinne aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir bitten, sich für unsere vorgetragenen Anliegen der Kolleginnen und Kollegen einzusetzen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Für weitere Erörterungen, Anliegen, Rückfragen etc. stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund!
Dirk Biegel, Landesvorsitzender