Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft Niedersachsen
-Fachbereich Rechtspflege- zu dem Eckpunktepapier zur Gründung der Norddeutschen Justizakademie in Hildesheim und Perspektiven
Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zu dem Eckpunktepapier Stellung nehmen zu dürfen. Darin wird vorgeschlagen, die selbstständige Hochschule für Rechtspflege Nord in eine Justizakademie umzubenennen. Die HR-Nord hat auf ihrer Website eine erste Reaktion auf die Pläne veröffentlicht. Den darin geäußerten Bedenken schließen wir uns an.
Das Eckpunktepapier benennt folgende Probleme:
- Struktur
Die Selbstverwaltungsstrukturen der HR-Nord seien hinderlich. Die Lehrkräfte seien durch Verwaltungsaufgaben gebunden, was Ressourcen binde. Negative Auswirkungen auf das Studium werden aber nicht diagnostiziert, es wird lediglich langfristig eine künftige Gefahr solcher Auswirkungen gesehen.
Dazu ist festzuhalten, dass sich die Verwaltungsaufgaben bisher in keiner Weise negativ auf den Lehrbetrieb auswirken. Zum 03.02.2025 hat ein neuer Sachbearbeiter in der Verwaltung seinen Dienst aufgenommen, der sich in der Einarbeitung befindet und seinen Schwerpunkt längerfristig in der Hochschule sieht, so dass hier nach Personalwechseln künftig wieder eine Entlastung zu verzeichnen sein wird.
Der Vorschlag impliziert die Abschaffung des bisher bestehenden Senats. Was an der Arbeit des Senats selbst kritikwürdig ist, tritt nicht deutlich hervor und wäre zu konkretisieren.
Wenn eine Verwaltungsleitung überhaupt nicht in die Lehrtätigkeit eingebunden ist und umgekehrt die Lehrenden kaum in die Verwaltung, führt das zu weniger Identifikation der Lehrenden mit der – wie auch immer bezeichneten – Lehranstalt. Wenn letztlich „jeder für sich muckelt“, wirkt es sich negativ auf die Lehre aus.
Eine „Verknüpfung zwischen Leitung und Lehre“, die das Papier nicht konkretisiert, kann nur eine Krücke sein und bindet zusätzlich Kapazitäten für Kommunikation, die derzeit vom Senat abgedeckt ist.
Nur Übernahme koordinierender Aufgaben der Lehre soll den Dozentinnen und Dozenten Beförderungsmöglichkeiten eröffnen. Hier setzt sich der seit langem erkennbar beschrittene Weg fort, nur Verwaltungsarbeit als wirklich qualifizierte Arbeit zu betrachten. Herausragende Leistungen, die innerhalb der Rechtspflege und künftig offenbar auch innerhalb der Lehre erbracht werden, sind selbstverständlich und führen nur schleichend, in gleichem Maße wie bei mittlerer Leistung, zu Beförderungen. Beförderungsämter können nur noch von Verwaltungskräften erlangt werden. Das kritisieren wir entschieden.
- Langwierige Stellenbesetzungen
An der Langwierigkeit der Stellenbesetzung ist das Justizministerium nicht ganz unbeteiligt. Für eine bereits seit 1 ½ Jahren freie Professorenstelle liegt MJ bereits seit Monaten eine durch die Besetzungskommission festgelegte Bewerberreihenfolge vor. Die Stelle wurde bislang jedoch nicht besetzt, Bewerber/innen nehmen zwischenzeitlich andere Stellen an und stehen nicht mehr zur Verfügung.
Insofern ist nicht nachvollziehbar, weshalb MJ eine schnellere Stellenbesetzung gewährleisten könnte, wenn sich das Ausschreibungsverfahren ändert.
Zudem werden Dozentenstellen bei der HR-Nord durch Abordnungen und Versetzungen technisch genauso schnell besetzt wie bei einer Justizakademie.
Offen ist an dieser Stelle, wer die Qualifikation der Bewerber für eine Lehrtätigkeit an solch einer Justizakademie feststellt. Das Justizministerium allein kommt dafür nach unserer Auffassung nicht in Frage, ebenso wenig eine reine Verwaltungsleitung, so dass doch wieder Verwaltungsaufgaben auf die Lehrenden zukämen.
Die bisher berufenen Professorinnen und Professoren würden ihren Titel behalten. Zwar bleibt die Möglichkeit erhalten, Professuren auszusprechen, wie sich das in der Praxis aber darstellen wird, ist nicht klar. Werden tatsächlich freiwerdende Professorenstellen wiederbesetzt? Wenn nicht, sinkt zweifellos die Attraktivität der Einrichtung für Lehrkräfte mit der Folge, dass noch weniger geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden sind mit negativen Auswirkungen auf die Qualität der Lehre. Es lassen sich, ohne hier Namen nennen zu wollen, Beispiele finden für hochkarätige Lehrkräfte, die in ihrem Rechtspflegeberuf hoch anerkannte Arbeit geleistet haben und für die es wesentlich bequemer gewesen wäre, auf diesem Posten zu bleiben. Sicherlich würden sie aufgrund ihrer hohen Qualifikation auch außerhalb der HR-Nord A 13 Z erreichen und mit einzelnen Lehraufträgen noch aufbessern. Ohne den zusätzlichen Anreiz eines Professorentitels hätten sie womöglich diesen Schritt nicht getan.
Wir begrüßen grundsätzlich den Ansatz, den Einsatz von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern und damit den Praxisbezug zu steigern. Dieser Schritt lässt sich aber unabhängig von der Einrichtung einer Akademie erreichen.
Möglicherweise ließen sich der Bewerberkreis erweitern und Stellen leichter besetzen, wenn § 1 III Nr. 3 PersVO-FHR dahingehend geändert würde, dass hervorragende Leistungen nicht unbedingt fachbezogen erbracht sein müssen.
- Steigende Studierendenzahlen
Als Folge der verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahre, in denen erkennbar unter Bedarf eingestellt und ausgebildet wurde, musste die Zahl der Studierenden massiv erhöht werden, um die künftig zu erwartenden Abgänge ausgleichen zu können. Durch die Umwandlung in eine Akademie steht allerdings zu befürchten, dass andere Bundesländer auf andere Standorte ausweichen, wo nach wie vor eine Fachhochschule besteht, und damit die Studierendenzahl sinkt.
Die geringe Zahl der Bewerbungen ist auch darauf zurückzuführen, dass der Rechtspflegeberuf immer noch viel zu wenig bekannt ist und ihm andere Studiengänge durch moderne Werbung auf Instagram, Pinterest etc. zunehmend den Rang ablaufen. Auch wird leider nicht das Potenzial gehoben, das an juristischen Fakultäten besteht, indem z.B. am schwarzen Brett Jurastudenten, die an einem Wechsel des Studiengangs interessiert sind, Informationen zum Rechtspflegestudium erhalten.
- Akademierat
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Das Bedürfnis, seitens des MJ und der Oberlandesgerichte in koordinierter Weise auf die Lehrinhalte Einfluss zu nehmen, ist nachvollziehbar, weil an dieser Stelle immer wieder Kritik geäußert wird. Dennoch ist zu bedenken, dass Anregungen zum Ausbildungsinhalt naturgemäß nicht aus der Verwaltung kommen, sondern aus der Praxis – mithin aus der Rechtspflege – über die Verwaltung an die Hochschule herangetragen werden. Die Verwaltung sollte an dieser Stelle ganz ausgeklammert werden, um auch künftig ihre Einflussnahme auf die Rechtspflege möglichst gering zu halten. Vorgeschlagen wird ein Praxisrat, der mit Ausnahme eines koordinierenden Mitglieds mit Praktikern aus der Rechtspflege und gerade nicht aus der Verwaltung besetzt wird. Das kann auch an einer Hochschule umgesetzt werden, indem die Hochschule sich freiwillig dazu verpflichtet, die Vorstellungen der Praxis zu erörtern und umzusetzen.
Für praktische Belange wie z.B. die Festlegung des Dienstbeginns für die Studentinnen und Studenten sollte daneben ein koordinierendes Gremium geschaffen werden.
Kritisch ist aus unserer Sicht auch der Verlust des Status für künftige Studierende; sie studieren nicht mehr an einer Hochschule, sondern an einer Akademie und nennen sich nach Abschluss des Studiums Diplom-Rechtspfleger (Justizakademie).
Dies könnte Auswirkungen auf die Attraktivität des Rechtspfleger-Berufs haben.
Zur Gleichwertigkeit des Studienabschlusses bestehen Zweifel. Ob es durch rechtliche Konstrukte möglich sein wird, den Grad „Diplom-Rechtspfleger (Justizakademie)“ dem „Diplom-Rechtspfleger (FH)“ gleichzustellen, halten wir für nicht gesichert. Ganz sicher aber wird ein solcher Grad nicht den gleichen Wert haben. Landesweit wären Diplomanden aus Niedersachsen gegenüber den Absolventen von Fachhochschulen für Rechtspflege anderer Bundesländer mit einem Makel behaftet. Das Wort „Akademie“ wird eher mit Fortbildung denn mit einem Studium in Verbindung gebracht. Insgesamt wird das Vorhaben als Degradierung der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger empfunden.
Die Umorganisation führt zu Nachteilen auf dem Bewerbermarkt im Verhältnis zu anderen dualen Studiengängen und anderen Bundesländer, wenn diese weiterhin ein Studium an einer Fachhochschule anbieten.
Noch zu klären ist der Status von Wiederholern, die ein Jahr verlängern müssen und dadurch in das geänderte System rutschen. Werden sie den Grad „Diplom-Rechtspfleger (FH)“ erhalten, wie es bei Aufnahme ihres Studiums Geschäftsgrundlage war?
Wir sprechen uns daher gegen die Umwandlung der HR-Nord in eine Akademie aus. Notwendige Änderungen können unserer Ansicht nach erreicht werden, ohne die Hochschule in eine Akademie umzuwandeln.
Die Deutsche Justizgewerkschaft, Fachbereich Rechtspflege, würde gern weiterhin über die Entwicklungen informiert und darin eingebunden werden. Wir stehen für ein Gespräch zur Verfügung.
DJG Niedersachsen
Fachbereich Rechtspflege Thomas und Bettina Kratzberg